woensdag, juni 6

Sehen zu können, ist Kunst - Können, Übung, Herzensangelegenheit.

Ich sehe ein “Model”, einen Menschen, vor mir, sehe zuerst seine Oberfläche, mache mir flüchtig ein Bild, eine Skizze, einen Eindruck, ziehe Verbindungen mit Erfahrungen. Ich muss mich jedoch zunächst wieder von diesem festen Bild lösen, frei werden von eigenen Gedanken, um nicht nur Eigenes in den anderen hineinzuprojizieren, und tiefer “hineinschlüpfen” in mein Gegenüber, zum Beispiel durch das Tor seiner Augen bis hin zur Seele, ohne jedoch indiskret zu werden, ihm zu nahe zu treten, ohne zu verletzen oder schonungslos aufdecken zu wollen.

Ich lerne ihn besser kennen, sein Wesen. Das geht nur, wenn ich ihn mit Liebe betrachte. Es entsteht ein ganz anderes Bild von ihm. Anatomisch gleicht es ihm oder ihr oft kaum, sagt aber viel mehr.